Der Aufstand der Vernunft

Ayn Rands Objektivismus

Biographie

„Ich will nicht, dass die Leute mich mit dem Herzen bewundern – sondern mit dem Kopf.“ – Richard Halley, Komponist (in: Atlas Shrugged, dt.: Der Streik)

„Das Gespräch mit Ayn Rand war ungefähr so, als würde ich eine Schachpartie beginnen in dem Glauben, ich sei ein Großmeister, um nach wenigen Zügen festzustellen, dass ich schachmatt war.“ – Alan Greenspan (aus: Mein Leben für die Wirtschaft)

„Sie mag Katzen, Architektur, New York, Filme, und vor allem, Ideen.“ – Isabel Paterson (über Ayn Rand am 23. September 1945, in: New York Herald Tribune)

„Ich persönlich glaube, dass der Objektivismus in 25 Jahren die dominante Philosophie in diesem Land sein wird.“John A. Allison, ehemaliger Vorstandsvorsitzender von BB&T im Jahr 2009

„Ayn Rand lebte ein Leben, das einen ihrer Romane hätte inspirieren können. Sie schrieb nicht nur über Stärke und Größe: sie verkörperte sie.“Leonard Peikoff

„Ayn Rand gehört zu den besten Romanautoren des 20. Jahrhunderts.“ John C. Wright, amerikanischer Schriftsteller

 

Russland

Ayn Rand wurde am 2. Februar 1905 in St. Petersburg als Alisa Rosenbaum geboren. 1926 immigrierte sie in die USA und nimmt dort den Künstlernamen Ayn Rand an (ihr offizieller Name war Alice O’Connor). Alisa war das erste Kind des Apothekers Zinovy Rosenbaum und seiner Frau Anna. In der gebildeten Familie der Mittelklasse fand die junge Ayn ein intellektuelles Klima vor, dass ihrer weiteren Entwicklung durchaus förderlich sein sollte. Ihre Eltern legten großen Wert auf eine gute Ausbildung und verteidigten die individualistische Attitüde, dass jeder Mensch seines eignen Glückes Schmied sei. Ayn brachte sich mit sechs Jahren selbst das Lesen bei und betrachtete als „Leitmotiv“ ihres Lebens die Konzentration aus das „Ungewöhnliche“. Die Mutter hielt das hochbegabte Kind für „anti-sozial“, wie sie es nannte, weil sie keine Freundinnen hatte und sich wenig für andere Kinder interessierte.
Im Alter von neun Jahren entdeckte Ayn in einem französischen Magazin für Jungen, das ihre Mutter für sie abonniert hatte, die Fortsetzungsgeschichte The Mysterious Valley von Maurice Champagne. Die von Champagne geschaffene Figur des britischen Offiziers Cyrus Paltons machte enormen Eindruck auf sie, weil sie in kompletter Form die Art von Mensch darstellte, die sie bewundern konnte. Die Darstellung von idealen Menschen sei das Motiv und der Zweck ihres Schreibens, schreibt sie 1963 in ihrem Aufsatz The Goal of my Writing, und nicht die philosophische Aufklärung ihrer Leser. Mit 13, in der „erdrückenden, heruntergekommnen Hässlichkeit von Sowjet-Russland“, entdeckte sie die Romane von Victor Hugo. Von 1921 an studierte sie drei Jahre im Hauptfach Geschichte an der Staatsuniversität in Petrograd. In der Hoffnung auf eine Beschäftigung als Drehbuchautorin schrieb sich Rand nach dem Ende ihres Studiums am Staatsinstitut für Kinematographie ein. Filme wurden ihre Leidenschaft. Im Jahr 1924 sah sie 47 Filme und im nächsten Jahr 117, über die sie sogar ein Filmtagebuch führte. Anfang 1925 erhielt ihre Mutter überraschend Post von Verwandten aus den USA, die das Land schon vor Jahren verlassen hatten. In einem der Briefe an ihre amerikanische Verwandtschaft erwähnte Rands Mutter, dass ihre Tochter gerne Amerika besuchen würde. Im Herbst 1925 wurde Ayn der sowjetische Pass gewährt. Er erlaubte ihr, die USA für sechs Monate zu besuchen. Ihre Eltern organisierten eine Reise mit der Bahn nach Le Havre, wo sie mit dem Schiff zum Ziel ihrer Reise kommen sollte. Auf einer Abschiedsparty kurz vor ihrer Abreise, hörte Ayn von einem der anwesenden Gäste, den sie nur oberflächlich kannte, ihr mit großem Nachdruck einen Wunsch mit auf den Weg gab: „Wenn sie dich in Amerika fragen, dann sag ihnen, dass Russland ein riesiger Friedhof ist und dass wir alle langsam sterben.“ „Ich werde es ihnen sagen“, versprach sie. Für Ayn Rand sollte es ein Abschied für immer werden. Als ihr Schiff in den Hafen von New York einlief, rollten Tränen über das Gesicht von Ayn Rand – Tränen im angesicht der Pracht dieser Stadt, in der sie den größten Teil ihres zukünftigen Lebens verbringen sollte. (Sures)

Amerika

Rands amerikanische Karriere begann mit einer zufälligen Begegnung in Hollywood mit dem bekannten Regisseur Cecil B. DeMille, der ihr eine Rolle als Komparsin in dem Film The King of Kings gab. Die Begegnung mit DeMille sollte allerdings nicht die einzige glückliche Bekanntschaft sein, die Rand in diesen ersten Tagen in Hollywood machen sollte. Auf dem Weg ins Studio sah sie in der Straßenbahn einen gut aussehenden jungen Mann, in den sie sich auf den ersten Blick verliebte: Frank O’Connor. Dort, wo Rand als Statistin 7,50 $ pro Tag verdiente, war O’Connor als Nebendarsteller tätig, und der jungen Immigrantin gelang es – durch einen inszenierten Zusammenstoß – die Aufmerksamkeit des schlaksigen Amerikaners aus Ohio auf sich zu lenken. O’Connor schrieb später seinem Bruder über diese schicksalhafte Begegnung: „Heute habe ich eine interessante und lustige Russin am Set getroffen. Ich habe nicht ein Wort von dem, was sie sagte, verstanden.“ Am 15. April – einen Monat vor dem Ablauf ihres Visums – werden Ayn Rand und Frank O’Connor in Los Angeles getraut. Die Ehe sollte erst über 50 Jahre später mit dem Tod von O’Connor enden. Kurz nach ihrer Heirat gelang es ihr, eine Arbeit in der Kostümabteilung von RKO Pictures zu ergattern, während ihr Mann weiterhin als Statist oder Nebendarsteller arbeiten konnte. Bereits nach sechs Monaten bekam Rand eine Gehaltserhöhung und innerhalb eines Jahres war sie bereits Leiterin der Abteilung. In jeder freien Minute arbeitete sie an ihren Projekten. Ihren Verwandten in Chicago schreibt sie von ihrer „ziemlich harten Zeit“, aber sie sei nach Amerika gekommen, um zu schreiben und dies werde sie nie aufgeben. 1932 gelang es ihr, für 1 500 $ ihren ersten Drehbuchentwurf (”Treatment”) an Universal Pictures zu verkaufen: Red Pawn. Die Geschichte, die in der Sowjetunion spielt, wurde allerdings bis zum heutigen nicht in einem Film umgesetzt. Die Einkünfte von Red Pawn versetzten sie in die Lage, sich vollständig der Fertigstellung ihres ersten Romans We the Living zu widmen, den sie 1934 beendete, der aber erst 1936 veröffentlicht wird. Im Jahr 1932 erschien auch das erste Interview mit dem „Russian girl“ in einer amerikanischen Zeitung, der Oakland Tribune. Eindringlich schilderte Rand in ihrer Antwort die elenden Lebensverhältnisse in der Sowjetunion, wogegen die Härten, denen die Amerikaner während der Weltwirtschaftskrise ausgesetzt seien, nur verblassen könnten. Die bescheidene Filmkarriere von Frank O’Connor endete im Jahr 1934. 1934 gelang Rand in den USA ein erster Publikumserfolg durch die Realisierung des Theaterstücks Woman on Trial, das später unter dem Titel Night of January 16th aufgeführt wurde. Alle Versuche, ihrer Familie eine Ausreise in die USA zu ermöglichen, scheiterten. Ihr Vater starb 1939 und ihre Mutter im folgenden Jahr. Ihre Schwester Natalia wurde im Jahr 1942 Opfer eines Luftangriffes. Lediglich ihre jüngste Schwester Eleanora konnte Ayn Rand noch einmal wiedersehen, als diese im April 1974 in die USA reisen durfte. Dieses Wiedersehen nach den Jahrzehnten der Trennung verlief allerdings anders, als Ayn Rand es sich erwartet hatte. Ihrer Schwester missfiel ihre Arbeit und ihre Philosophie, und sie kehrte schließlich freiwillig in die Sowjetunion zurück – zur großen Enttäuschung ihrer berühmten Schwester.

Die Romane

We the Living

Der Roman trägt stark autobiografische Züge. Die Protagonistin Kira mit ihren Ideen, Überzeugungen und Werten hat Rand nach sich selbst erschaffen. Gleichwohl ist We the Living kein Roman über die Sowjetunion des Jahres 1925, sondern ein Roman über jede Diktatur, überall: „Es ist ein Roman über den Menschen gegen den Staat.“ Im faschistischen Italien wurde der Roman während des 2. Weltkrieges ohne das Wissen und die Erlaubnis von Rand als Vorlage für zwei Filme (Noi Vivi und Addio, Kira) benutzt. Der Regisseur Goffredo Alessandrini suchte nach einem Stoff, der ihn in die Lage versetzte, Kritik am faschistischen System zu üben, ohne die Zensur auf sich aufmerksam zu machen. Nach einer erfolgreichen Premiere beim Filmfestival in Venedig kam der Film im November 1942 in die Kinos und wurde zu einem riesigen Erfolg. Bald gerieten die Filme allerdings in das Blickfeld der Zensur – Mussolini selbst soll sehr wütend über den Film gewesen sein – und fünf Monate nach seiner Veröffentlichung wurden sie verboten.

The Fountainhead

Am 8. Mai 1943 wurde der Roman The Fountainhead veröffentlicht. Er wurde zum Bestseller und 1949 mit Gary Cooper in der Hauptrolle verfilmt. Nathaniel Branden spricht von einem „psycho-epistemologischen“ Thema in The Fountainhead: dem Konflikt zwischen dem „First-Hander“ und dem „Second-Hander“. Der „First-Hander“, verkörpert von Howard Roark, ist in der Lage, unabhängig von anderen Menschen durch den Gebrauch der Vernunft Urteile zu fällen, wohingegen ein „Second-Hander“ wie Peter Keating versucht, als Parasit von dem Bewusstsein der anderen Menschen zu leben. Als Ayn Rand 1974 bei einer Veranstaltung in der Ford Forum Hall gefragt wurde, ob Howard Roark in The Fountainhead dem Architekten Frank Lloyd Wright nachempfunden wurde, antwortet sie: “Absolut nicht.” Lediglich einige von Wrights architektonischen Ideen hätte sie für die Figur des Howard Roark verwendet, ebenso das Muster von Wrights Karriere. Welche Distanz sie zwischen sich -und ihrem Helden Roark- und Frank Lloyd Wright sah, macht eine Bemerkung aus ihrem philosophischen Tagebuch vom 13. April 1946 deutlich: „Frank Lloyd Wright – ein Mann, der ein Roark ist in seinem professionellem Leben, und ein Keating in seinem privatem Leben.“ 1944 gelang es Ayn Rand durch die Vermittlung des Sohnes von Frank Lloyd Wright ein Treffen mit dem Stararchitekten in Hollywood zu arrangieren. Rand erinnerte sich später an Wright als freundlich und interessiert an ihren Bücher und Ideen. An seinen geringschätzigen Brief von 1938 konnte er sich nur vage erinnern und erklärte seine negative Reaktion von damals mit der Befürchtung, nur zur Steigerung der Publicity von Rand benutzt zu werden. Rand hatte Wright im Dezember 1937 einen Brief geschrieben, sich und ihr Projekt The Fountainhead vorgestellt und hatte um ein Treffen mit Wright gebeten. 1947 kommt es zu einem weiteren Treffen mit Wright, dieses Mal in seiner Sommerresidenz und Studio in Wisconsin. Sie bemerkt seinen “Enthusiasmus für das Leben” – trotz seiner mittlerweile 78 Jahre -, aber wiederum fielen ihr negative Merkmale in Wrights Persönlichkeit und Philosophie auf. Die auf dem Anwesen lebenden Studenten durften für ihr Privileg bezahlen, gleichermaßen Diener und Studenten sein zu dürfen. Rand sprach gegenüber Freunden von einem “feudalen Establishment” und ihr missfiel die repressive Atmosphäre.

Anthem

In der Phase der Arbeit an The Fountainhead verfaßte sie im Jahr 1937 innerhalb von drei Monaten die Novelle Anthem, in der Menschen in einer futuristischen Gesellschaft beschrieben werden, die das Wort “Ich” aus ihrem Vokabular verbannt hat. Rands Agentin gelang es allerdings nicht einen Verleger für die Novelle zu begeistern und so wurde es erst im Jahr 1946 in den USA veröffentlicht. In Großbritannien kam das Buch allerdings schon im Jahr 1938 auf den Markt, und wurde dort auch ein Erfolg.

Atlas Shrugged

Die Idee zu dem Roman, der schließlich den Titel Atlas Shrugged tragen sollte, kam Ayn Rand bei einem Telefonat mit einer Bekannten im Jahr 1943, die Rand bedrängte, ihre in The Fountainhead geäußerten Ideen über Sachliteratur populär zu machen. Der Vorschlag animierte Rand darüber nachzusinnen, wie es wäre, wenn produktive Menschen in einen Streik treten würden. Von der Idee bis zum fertigen Roman sollten allerdings 14 Jahre vergehen und aus dem ursprünglichen Titel “The Strike” wurde Atlas Shrugged, eigentlich nur der Titel eines Kapitels des Romans. In Atlas Shrugged präsentiert sie mit John Galt ihren ultimativen Helden, den idealen Menschen, der vollkommen von Rationalität durchdrungen ist: „Wir befinden uns im Streik, die Menschen des Geistes. Ihr habt uns nichts zu bieten. Wir brauchen euch nicht.“ So äußert er sich in einer Radioansprache, an der Rand zwei Jahre arbeitete, und die man als das Herz des Objektivismus bezeichnen muss. Galts Speech ist aber nicht einfach nur ein philosophisches Traktat, das Rand in die Handlung einfügt und das der Leser bei Bedarf problemlos überspringen kann, sondern integraler Bestandteil der Handlung.
Mit der Veröffentlichung von Atlas Shrugged sollte sich die Wahrnehmung von Ayn Rand in der amerikanischen Öffentlichkeit deutlich verändern. Sie war auch schon vor AS eine Bestsellerautorin gewesen, aber jetzt war sie eine Bestellerautorin mit einem deutlich konturierten Profil, ein Profil, das ihr quer über das politische Spektrum Ablehnung einbringen sollte. Ayn Rand war nun Amerikas führende philosophische Verteidigerin von Vernunft, Egoismus und Kapitalismus. Dass diese Position beim linksliberalen Establishment auf Ablehnung stieß, ist nicht überraschend und die Buchbesprechungen aus dieser Richtung fielen auch entsprechend negativ aus, aber die wütendste Reaktion kam aus dem konservativen Lager, von Whittaker Chambers im National Review. Rand weigerte sich, die Besprechung überhaupt zu lesen – „aus Prinzip“. Den kommerziellen Erfolg von AS konnten weder Chambers noch all die anderen negativen Rezensionen verhindern: Bereits drei Tage nach Erscheinen des Romans belegte er Platz sechs der Bestsellerliste der New York Times. Und dieser Erfolg setzte sich in den folgenden Jahren und Jahrzehnten fort – bis der Roman im Jahr 2009 sogar ein Allzeithoch bei den Verkäufen erreichte. Aber Atlas Shrugged war und ist nicht nur ein Roman, der massenhaft verkauft wurde und wird, sondern er wird auch gelesen und hinterläßt einen nachhaltigen Eindruck bei seinen Lesern. In einer landesweiten Umfrage innerhalb der USA wurde 1991 nach den Büchern gefragt, die das Leben der Leser am stärksten verändert hätten: Atlas Shrugged landete nach der Bibel auf dem 2. Platz.

Sachliteratur

Mit der Veröffentlichung von Atlas Shrugged endete der Abschnitt in Ayn Rands Leben, der geprägt war von der Arbeit an ihren Romanen.
Für die nun 52 jährige Rand begann die Zeit, wo sie als Sachbuchautorin, Herausgeberin von Zeitschriften, Kolumnistin und Rednerin aktiv werden sollte. Auch das Fernsehen wird auf Ayn Rand aufmerksam und so konnte sie im Jahr 1959 erstmals dieses Medium nutzen, um ihre Ansichten zu präsentieren. Gleich in der ersten Frage bat Gastgeber Mike Wallace Ayn Rand ihre Philosophie, die er als “Randismus” bezeichnet, zu erklären. Rand wies diesen Ausdruck allerdings zurück: “Zunächst einmal nenne ich sie nicht ‘Randismus’. Ich mag diesen Namen nicht. Ich nenne sie Objektivismus…” Im Jahr 1962 begann Rand mit der Herausgabe der Zeitschrift The Objectivist Newsletter, die erste von insgesamt drei Zeitschriften, die sie im Laufe der Zeit betreuen sollte. Im Jahr 1969 wurde Ayn Rand die große Ehre zuteil, dass sie zu den geladenen Gästen anläßlich des Starts des Raumschiffs “Apollo 11″ gehörte, das mit drei Astronauten in Richtung Mond abheben sollte. In der September-Ausgabe ihrer Zeitschrift The Objectivist, dem Nachfolgemagazin des The Objectivist Newsletter, berichtete Rand später über dieses denkwürdige Ereignis. “Pure Begeisterung” ergreift die Autorin, weil sie Zeugin einer “konkretisierten Abstraktion der Größe des Menschen” geworden war. Der Astronaut Michael Collins, der zur Crew von Apollo 11, gehört hatte, schrieb Rand in einem Brief, dass ihr Artikel wahrscheinlich der beste sei, der über die erfolgreiche Mondlandung geschrieben worden sei. Rand antwortete ihm am 2. Januar 1970, dass dies die schönste Anerkennung sei, die sie während ihrer gesamten Karriere als Autorin bekommen habe. Sie schließt ihren Brief mit der Formel “In tiefer Bewunderung”. Als die Zeitschrift The Objectivist im September 1971 einstellt wurde, zählte sie “Apollo 11″ zu ihren drei Lieblingsartikeln, die sie seit dem Beginn der Zeitschrift im Januar 1966 verfaßt hatte. Im März 1974 wird Ayn Rand eine weitere Ehre zuteil: Sie erhält die Einladung, an der Militärakademie in West Point eine Rede zu halten. Sie wählte das Thema Philosophy: Who needs it und erklärte ihren Zuhörern: “Als ein menschliches Wesen haben Sie keine Wahl hinsichtlich der Tatsache, dass Sie eine Philosophie brauchen.”

Das Kollektiv

In den frühen fünfziger Jahren begann Rand, eine Gruppe von intellektuellen Seelenverwandten um sich zu sammeln, die sie nach dem Erscheinungsjahr von The Fountainhead als „Klasse von ‘43“ (Class of ‘43) bezeichnete. Unter den Teilnehmern an dieser Diskussionsgruppe kursierte allerdings auch die scherzhafte Bezeichnung „Das Kollektiv“. Frank O’Connor bezeichnete diese jungen Leute als „the kids“ – eine Anspielung auf das jugendliche Alter der meisten zukünftigen Objektivisten. Zu diesen „Kids“ gehörten Alan Greenspan, Nathaniel Branden und Leonard Peikoff. Der 1926 geborene Greenspan unterschied sich allerdings aufgrund seines Alters und seines beruflichen Status vor den anderen Mitgliedern des „Kollektivs“, die jünger waren und sich noch in der Ausbildung befanden. Bevor Greenspan auf Ayn Rand traf, sei er „intellektuell sehr eingeschränkt“ gewesen: „Ich war ein talentierter Techniker, das war alles.“ (Greenspan, S. 72) Rand überzeugte ihn davon, sich die Menschen anzusehen, die Werte, die sie vertreten, wie sie arbeiten, was sie tun, warum sie es tun, wie sie denken und warum sie denken. Rand schätzte Greenspan außerordentlich und als Widmung in einem Exemplar von Atlas Shrugged drückte sie diese Wertschätzung so aus: „To My Sleeping Giant.“ (Kathrin Eyckhoff, S. 272, in: „Oral Voices“) 1974 war Ayn Rand nebst Ehemann bei der Vereidigung von Greenspan als Vorsitzender des Wirtschaftsbeirates der Regierung Ford noch zugegen gewesen, und ihre Teilnahme an der Zeremonie kann sicherlich als Billigung dieser politischen Funktion angesehen werden. In seinem Buch The Age of Turbulence (dt: Mein Leben für die Wirtschaft) aus dem Jahr 2007 verbeugt er sich noch einmal vor seiner ehemaligen Lehrerin: „Ayn Rand und ich blieben bis zu ihrem Tod im Jahr 1982 gute Freunde, und ich bin ihr dankbar für alles, was sie in meinem Leben bewirkt hat.“ (Greenspan, S. 72) Ob diese Freundschaft allerdings nach 1987, als Greenspan Vorsitzender der US-Notenbank wurde, noch Bestand gehabt hätte, kann zumindest bezweifelt werden. Den Psychologiestudenten Nathan Blumenthal, der sich später Nathaniel Branden nannte, hatte Rand 1950 nach dem Austausch von Briefen und telefonischen Kontakten persönlich kennen gelernt. Branden sollte in den nächsten 18 Jahren eine herausragende Stellung innerhalb der objektivistischen Bewegung einnehmen, übertroffen nur noch von Rands eigener Position. Zusammen mit seiner Frau Barbara, die ebenfalls zum inneren Kreis der Objektivisten gehörte (die Ehe bestand von 1953 bis 1965), veröffentlichte er im Jahr 1962 das Buch Who is Ayn Rand?, das -neben mehreren Aufsätzen von Branden selbst- eine von Barbara Branden verfaßte biographische Studie enthält, für die Ayn Rand von beiden Autoren intensiv interviewt worden war. Auf die genannten Interviews griffen beide Autoren nach ihrer Trennung von Rand zurück, als sie unabhängig voneinander Bücher über ihre Zeit im Umfeld von Ayn Rand verfaßten. Zu ihrem Alleinerben bestimmte Rand auch einen ihren Studenten, den gebürtigen Kanadier Leonard Peikoff. Als Peikoff im Frühjahr des Jahres 1951 Rand zum ersten begegnete, bereitete er sich darauf vor, Arzt zu werden, aber dieser „schicksalhafte Abend“, wie ihn Peikoff bezeichnet, sollte seinem Lebensweg eine neue Richtung geben. Rands Leidenschaft für Ideen war auf Peikoff übergesprungen und bald sollte diese Leidenschaft auch seinen beruflichen Werdegang bestimmen: Peikoff zieht im September 1953 aus Kanada nach New York – in die Stadt, die Rand so liebte und in die sie Ende 1951 gezogen war -, um Philosophie zu studieren und vor allem natürlich, um in der Nähe seiner Mentorin zu sein. Regelmäßig ist er nach seinem Umzug nach New York Teilnehmer an den Treffen der Gruppe, die regelmäßig an Samstagabenden in Rands Apartment zusammenkommt, um ihre neuesten Manuskripte von Atlas Shrugged zu lesen und zu diskutieren.

Libertarianismus und Konservatismus

Rands Romane und Schriften gelten als “Katalysator” des libertären Bewegung in den USA. Von dieser Bewegung nimmt Rand in ihren veröffentlichten Aufsätzen allerdings kaum Notiz. Der Ausdruck “libertarian” wird von ihr nur in dem Aufsatz What Can One Do aus dem Jahr 1972 überhaupt verwendet. 1980 äußerte sie auf eine entsprechende Frage nach einem Vortrag, dass die Libertären “heute vielleicht die schlimmste politische Gruppe sind, weil sie den Kapitalismus am stärksten schaden können, dadurch, dass sie ihn in Verruf bringen.” Politisch verstand sich Rand weder als Libertäre noch als Konservative, sondern als „Radikale für den Kapitalismus“. Zwei republikanische Präsidentschaftskandidaten bekamen aber trotzdem ihre Unterstützung in Wahlkämpfen: Wendell Wilkie 1940 und Barry Goldwater 1963. Für Wilkie engagierte sich Rand und ihr Ehemann sogar als ehrenamtliche Wahlkampfhelfer. 1980 lehnt sie es allerdings ab, für den Republikaner Ronald Reagan zu stimmen, weil dieser „angebliche Befürworter des Kapitalismus“ einen Verfassungszusatz zum Verbot der Abtreibung befürwortete. Sie sprach ihre Zuhörer auch ganz offen an und bat sie, nicht für Reagan zu stimmen.

Vermächtnis

Bei ihrer letzten öffentlichen Rede (The Sanction of the Victims) am 21. Novermber 1981 in New Orleans vor Geschäftsleuten forderte Rand diese auf, antikapitalistische Institutionen nicht mehr zu unterstützen: „Es ist ein moralisches Verbrechen, Geld zur Unterstützung von Ideen auszugeben, mit denen man nicht übereinstimmt. Es ist ein moralisches Verbrechen, Geld auszugeben, um seine eigene Zerstörung zu unterstützen.“ (in: The Voice of Reason) Ayn Rand stirbt am 6. März 1982 in ihrem New Yorker Apartment an Herzversagen. Sie wurde auf dem Kensico Cemetery in Valhalla, N. Y., neben ihrem Mann beerdigt.
Nach ihrem Tod wird von Leonard Peikoff das Ayn Rand Institute gegründet, das die Aufgabe hat, Rands Philosophie zu verbreiten und zukünftige objektivistische Intellektuelle auszubilden. Das Institut nahm seine Arbeit offiziell am 2. Februar 1985 in einem kleinen Büro in Los Angeles auf. Heute hat das ARI seinen Hauptsitz in Irvine/Kalifornien, kann sich auf die Arbeit von 40 Angestellten stützen und wird von Tausenden von Spendern unterstützt. Nebem dem ARI wird der Objektivismus heute vor allem von dem amerikanischen Finanzdienstleister BB&T finanziell und ideell unterstützt. Die firmeneigene Philosophie ist stark von objektivistischen Prinzipien geprägt. Punkt 1 der „Werte“ des Unternehmens ist „Realität“: „Was ist, ist. Wenn wir besser sein wollen, müssen wir innerhalb des Kontext der Realität handeln (den Fakten). Unternehmen und Personen machen oft ernsthafte Fehler dadurch, dass sie Entscheidungen treffen, die auf reinem Wunschdenken basieren, oder auf Theorien, die von der Realität abgekoppelt sind.“ Rands Roman Atlas Shrugged (dt: „Wer ist John Galt „) wird auch über fünfzig Jahre nach seinem erstmaligen Erscheinen in den USA immer noch stark nachgefragt und gilt es einer der einflussreichsten Werke der amerikanischen Belletristik. Im Jahr 2009 wurden zum ersten Mal mehr als eine Million Exemplare von Rands Romanen verkauft. In dieser Zahl enthalten sind allein 520 000 Exemplare von Atlas Shrugged. Trotz zahlreicher Übersetzungen -auf der Website des Ayn Rand Institute sind Übersetzungen in insgesamt 18 Sprachen aufgeführt- sind die Verkaufszahlen von Rands Büchern außerhalb der Vereinigten Staaten vergleichsweise gering. Von den zeitgenössischen Schriftstellern, die von Rand beeinflusst wurden, ist vor allem dem der Fantasy-Autor Terry Goodkind zu nennen. Goodkind bezeichnet sich auf seiner offiziellen Website selbst als Objektivisten. Seine Meinung über Ayn Rand: „Ich glaube, sie war die brillianteste Denkerin seit Aristoteles.“

Literatur:
Timeline of Ayn Rand’s Life and Career

Biography of Ayn Rand

Epilogue: Leonard Peikoff and Recollections of Ayn Rand, in: Objectively Speaking. Edited by Marlene Podritske and Peter Schwartz

Epilogue: An Interview with Leonard Peikoff, in: Essays on Ayn Rand’s The Fountainhead. Edited by Robert Mayhew

Leonard Peikoff: My Thirty Years with Ayn Rand: An Intellectual Memoir, in: The Objectivist Forum, Juni 1987